Eröffnungsrede
zur Ausstellung "Kunstver-bindlich"
in der Burgerhalle des Ra(s)thauses Minden vom 27. September 2018 |
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Frank
Duwe
KUNSTVER-BINDLICH Jörg
Boström – Alexander Gierlings – Andreas Jackstien Die
Betitelung der in Minden ausgestellten Arbeiten ”KUNSTVER-BINDLICH”
mag assoziativ Gedanken an „unverbindlich“ hervorrufen, unverbindlich
ist die gezeigte Kunst jedoch ganz und gar nicht. Im Gegenteil: „KUNSTVER-BINDLICH“
gibt einen Verweis darauf, dass zeitgenössische Kunst durchaus etwas
„Verbindendes“ und damit einen Anspruch eröffnen kann, den Anspruch nämlich,
Positionen gesellschaftlicher, politischer, aber auch individueller Art
miteinander in Verbindung zu setzen. Historisches und Künstlerisches können
in solche „Verbindungen“ ebenso einfließen, wie eigene Gedanken und
Befindlichkeiten der auf dem Feld der Kunstakteure in einen Dialog
Tretenden, Künstler und Betrachter. Im speziellen Fall dieser Ausstellung
kommt auch noch der Aspekt hinzu, dass die präsentierten Künstler über
Jahre einen intensiven Austausch untereinander pflegen, der in einem
kontinuierlichen Dialog Fragen, Gewissheit, Kritik und Weiterentwicklung
hervorbringt; um es mit einem historischen Begriff zu plakatieren: eine
Art Künstlerschule, die allerdings ohne stilistische Kanonisierung und
Gleichschaltung auskommt. Was
beim Rundgang durch die Ausstellung auffällt, ist die Vielfalt der künstlerischen
Standpunkte. Wir treffen auf Fotografie, Malerei, Zeichnung und auf
plastische Werke. Was ebenfalls auffällt, ist die Tatsache, dass alle
gezeigten Arbeiten eng aus der direkten Auseinandersetzung mit dem
Material hervorgehen. Klassische Positionen, die sich in der Moderne zu
Beginn des 20. Jahrhunderts (damals avantgardistisch) entwickelten, werden
von Jörg Boström, Alexander Gierlings und Andreas Jackstien auf ihre
Bedeutung und Tragfähigkeit in unserer Zeit neu austariert und
hinterfragt. Ein Sich-Öffnen gegenüber Historischem ist an vielen
Stellen deutlich zu erkennen. So
haben die langen Schatten in der etwas älteren Schwarzweiß-Fotografie
von Boström durchaus etwas „De Chiricoeskes“, wenngleich das
Dokumentarische der fotografischen Momentaufnahme (z. B. russischen
Alltagslebens) immer mehr oder weniger mitschwingt und den Bildern etwas
merkwürdig Mystisches verleiht. In anderen Arbeiten experimentiert Boström
mit den chemischen Möglichkeiten der analogen fotografischen Techniken
und kommt dadurch zu sehr abstrakten informellen Bildern, die für
assoziative Perspektiven der Betrachter offen sind. Boström, ursprünglich
eigentlich Maler der berühmten Düsseldorfer Kunstszene der 1950er und
1960er Jahre, lässt hier auf faszinierende Weise Malerei und Fotografie
„ineinander fließen“. Auch
Jackstien liebt es, an verschiedenen Punkten der Kunstgeschichte
„anzudocken“, um diese in seine eigene künstlerische Gestaltungswelt
der Jetztzeit zu integrieren. Zeichnung und Malerei treten in seinen
Bildern in einen intensiven Dialog, wobei sich die Farbe von ihrer rein
illustrativ-mimetischen Gebundenheit befreit und auf expressive Weise
gleichberechtigt mit der Zeichnung kommuniziert. Auch bei Jackstien
treffen wir nicht selten auf Bildräume, die in ihrer perspektivisch
gebrochenen Bühnenhaftigkeit entfernt der Pittura Metafisica entlehnt
sein könnten. Assoziative Setzungen in den Titeln verweisen zuweilen auf
Klassiker wie Vermeer, Matisse oder Mondrian, die sich mit raffinierten
Anspielungen („Fensterbilder“, „Rot-Gelb-Blau“) in größeren
kompositorischen Zusammenhängen wiederfinden. Der Raum des
zweidimensionalen Bildes wird immer wieder aufs Neue erforscht und
definiert. Die
plastischen – und damit räumlichen – Arrangements gehen allesamt auf
den kreativen Erfindungsreichtum Gierlings zurück. Seit der Entdeckung
des objet trouvé sind sowohl das reine Materialbewusstsein als auch die
Aufmerksamkeit für „gefundene Objekte“ der Alltagswelt in der
Kunstgeschichte eine nicht in Frage zu stellende Größe. Gierlings
arbeitet auf diesem Feld gezielt mit Materialien aus ganz
unterschiedlichen Bereichen, die in unterschiedlichem Maße künstlerischen
Eingriffen unterworfen werden. So werden unbearbeitete Metallteile und
Steine z. B. mit vom Künstler expressiv bearbeiteten Holzblöcken zu
Kompositionen zusammengefügt. Filigrane, schon fast grafisch in den Raum
geschriebene Anordnungen kontrastieren in seinen Installationen mit
volumenintensiven, kompakten Holzteilen. Das lebendige organische Material
Holz trifft auf das anorganische des Metalls und des Steins. Manche
Arbeiten erinnern an Giacometti, andere assoziieren – auch in den Titeln
nachzuverfolgen – Themen aus der Geschichte (z. B. die damaligen
Liquidatoren in Tschernobyl) oder der Philosophie und Mythologie. Zuweilen
werden manche Werke durch kleine lyrische Poesien ergänzt, die den Fokus
des Betrachtenden auf Zusammenhänge mit anderen künstlerischen Feldern
lenken und dadurch zum Weiterdenken animieren. Mit
ihren ausgestellten Werken öffnen Boström, Gierlings und Jackstien neue
Blickfelder und regen zu Gedanken an, die es wert sind, weiterverfolgt zu
werden. Historische Perspektiven erweitern sich in unsere Gegenwart und
machen in den gezeigten Arbeiten deutlich, dass es faszinierend sein kann,
sie mit unserem jetzigen kulturellen und geistesgeschichtlichen
Bewusstsein zu konfrontieren, um daraus neue Einsichten zu gewinnen.
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Frank
Duwe ist promovierter Kunstwissenschaftler und lebt in Bielefeld |
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